„Diese Blabla-Institutionen – sie machen mich krank“ – Joschka Fischer platzt der Kragen

„Ich bin sehr besorgt, dass unsere Zukunft äußerst düster sein wird.“ Nach langen Jahren in der Politik hätte man meinen können, dass Joschka Fischer nichts mehr aus der Ruhe bringen könnte. Doch angesichts der jüngsten Ereignisse hat sich die Rhetorik des ehemaligen Außenministers überraschend verändert.

Joschka Fischers Aufstieg in der Politik war alles andere als berechenbar – in seinen Anfängen in den 70er Jahren war der grüne Politiker ein Revolutionär, der sich mit der Polizei anlegte, später glänzte er als Außenminister und Vizekanzler. Eine Eigenschaft, die ihn selten verließ, war sein Optimismus. Umso überraschter waren daher viele, als sie seinen jüngsten Auftritt an der Freien Universität Berlin sahen. Aber was könnte zu Fischers Gefühlsumschwung geführt haben?

Fischer wettert gegen „Blabla-Institutionen“
Es war natürlich das Thema. Fischers Vortrag befasste sich mit der Rolle Europas in einer zunehmend fragmentierten Welt. Die heutige Zeit ist voller Herausforderungen, und wie der ehemalige Vizekanzler kritisiert, sind die Europäer nicht in der Lage, diese zu bewältigen. Brüssel ist einfach zu langsam und zu gespalten. Anstatt sich mit den wichtigen Themen zu befassen, übernimmt eine gewisse Bürokratie die Oberhand: „Diese Blabla-Institutionen – sie machen mich krank. Sie sind ein Zeichen von Schwäche“, schimpft Fischer.

Der engagierte europäische Politiker, der den Beitritt von zehn neuen Mitgliedsländern aus dem Osten Europas zur EU miterlebt hat, äußerte sich frustriert über die Spaltung, die derzeit in Europa herrscht. Die Kräfte, die diese Uneinigkeit hervorrufen, werden immer stärker. Europa hingegen ist nach Fischers Meinung so schwach wie nie zuvor seit 1945.

Merz ist kein Adenauer
Was wir brauchen, meint Fischer, „ist jemand wie Adenauer“, und fügt hinzu: „Aber wir haben nur Friedrich Merz – und der ist kein Adenauer“.

Was kann also Frieden und Stabilität für Europa bringen? Laut Fischer liegt das derzeit vor allem an Putin: „Wenn Russland die Waffen niederlegt, ist der Krieg heute vorbei“, betont er. Dass Fischer einem solchen Frieden nicht traut, geht aus seinem im März dieses Jahres erschienenen Buch („Die Kriege der Gegenwart und der Beginn einer neuen Weltordnung“) unmissverständlich hervor. Darin empfiehlt der ehemalige Außenminister, dass Europa ernsthaft über die Anschaffung einer nuklearen Abschreckungsmöglichkeit nachdenken sollte, um seine Sicherheit zu gewährleisten. Starke Worte von jemandem, der immer als großer Pazifist bekannt war.

„Sie sollten das Gebäude verlassen“
Dass Fischer trotz seiner scheinbaren Veränderung im Tonfall nichts von seiner Schlagfertigkeit verloren hat, wurde jedoch schnell deutlich: Als ein Mann aus dem Publikum ihn unterbricht und „Wollen Sie den Dritten Weltkrieg?“ ruft, donnert der 77-Jährige: „Sie sollten das Gebäude auf den Knien verlassen“. Das tat der Störer auch, wenngleich aufrecht gehend. Was nur zeigt, dass Fischer zwar über den aktuellen Stand der Dinge in Europa betrübt sein mag, er aber keineswegs aufgegeben hat.

Foto: Piotr Drabik, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

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